Ein unvergessliches Wochenende im LWL-Freilichtmuseum Detmold
Meine Leidenschaft für Freilichtmuseen
Wie Euch vielleicht bereits aufgefallen ist, besuche ich sehr gerne Freilichtmuseen und habe bereits darüber eine Podcast – Folge , natürlich mit Erlaubnis, aufgenommen. Die einzelnen Geschichten der Häuser und ihrer damaligen Bewohner aus weit entfernten Jahrhunderten verzaubern mich immer wieder.
Der Entschluss zum Besuch
Als wir vor einiger Zeit das Freilichtmuseum im Bergischen Land besuchten, stieß ich auf ein interessantes Buch mit diversen Adressen vom LWL, in dem unter anderem das größte Freilichtmuseum Deutschlands vorgestellt wurde. Ich recherchierte und schnell stand fest: Da möchte ich eines Tages hin. Und da wir keine Menschen von „Weit-vor-sich-herschieben-Aktionen“ sind und die hübschen Dinge für eine bleibende Erinnerung so schnell wie möglich in die Tat umsetzen, haben wir es uns im April dieses Jahres erfüllt.
Unterkunft in Detmold
Wir buchten uns in der Jugendherberge in Detmold ein behindertengerechtes Zimmer mit Bad und waren sehr erfreut, dass diese Jugendherberge eine so schöne Lage mitten im Grünen hat. Fernab vom Autoverkehr wurden wir vom Gesang der Vögel ausgiebig verwöhnt.
Barrierefreundliches Zimmer
Barrierefreies Badezimmer
Hilfsmittel auf Reisen
Als Hilfsmittel nahmen wir dieses Mal mein Elektromobil mit auf Reisen. Mit meiner Segway-Dame kann ich leider wegen meiner Muskelatrophien nicht mehr fahren und musste daher auf ihren Vorgänger „Dude“ zurückgreifen. Die Jugendherberge bietet extra einen Fahrradraum, in dem „Dude“ einen eigenen Platz zum Laden an einer Steckdose bekam. Es war wie für ihn gemacht.
Fahrradgarage
…..und ein Platz für “ Dude“
Die Nähe zur Altstadt und zum Museum
Unsere Jugendherberge befand sich nicht allzu weit von der Detmolder Altstadt entfernt. Bis zum Freilichtmuseum waren es auch nur 1 km Fußweg. Einem unvergesslichen Wochenende konnte also nichts mehr im Wege stehen.
Auf dem Weg in die Altstadt.
Es ist soweit und die Fahrt ins Freilichtmuseum geht los.
Das LWL-Freilichtmuseum Detmold
Das LWL-Freilichtmuseum Detmold ist das größte Freilichtmuseum Deutschlands und befindet sich in der Stadt Detmold. Es erstreckt sich über etwa 90 Hektar und beherbergt rund 120 historische Gebäude, die aus verschiedenen Regionen Westfalens stammen.
Hier sind einige interessante Fakten über das Museum:
- Historische Gebäude: Die Gebäude wurden originalgetreu am ursprünglichen Standort abgebaut und im Museum wieder aufgebaut.Sie bieten einen Einblick in das Leben und Arbeiten der Menschen in den letzten 500 Jahren
- Vielfalt der Architektur: Das Museum zeigt verschiedene Gebäudetypen, darunter Bauernhöfe, Mühlen, Werkstätten und Wohnhäuser.
- Gärten und Landschaften: Neben den Gebäuden gibt es auch nach historischem Vorbild angelegte Gärten.
- Haustierrassen: Auf den Weiden und Wiesen des Museums leben alte und teilweise vom Aussterben bedrohte Haustierrassen wie Senner Pferde, Siegerländer Rotvieh und Lippegänse.
- Gärten und Landschaften: Neben den Gebäuden gibt es auch nach historischem Vorbild angelegte Gärten und Landschaften, die alte Pflanzenarten und -sorten präsentieren.
Zeitplanung
Wir planten wegen der Größe des Museums 4 Tage ein, sodass wir 3 komplette Tage zum Erkunden des Museums hatten. Als Empfehlung würde ich jedem dazu raten, mindestens 2 Tage einzuplanen. Selbst an den 3 Museumstagen haben wir immer noch nicht alles zu sehen bekommen.
Vorbereitung
Ebenso würde ich euch raten, den Freilichtführer vorab zu bestellen. Wenn er nicht verschickt werden kann, finden sich immer wieder im Internet gebrauchte Exemplare. So habe ich mein Buch erworben, denn vor Ort war keine deutsche Ausgabe mehr vorhanden ( ausverkauft, aber Nachschub wurde bestellt). Es gibt so viele Kleinigkeiten aus der alten Zeit, an denen man als Besucher ohne es zu wissen ansonsten einfach vorüberzieht.
Ein Tag voller Entdeckungen
Unsere Zeitreise beginnt
Früh am Morgen, mit jeder Menge guter Laune im Gepäck, gingen und rollten wir los. Einmal den Berg hinunter und auf der anderen Seite zum Museum wieder bergaufwärts.
Nur wenige Leute waren bereits so früh an einem Samstagmorgen unterwegs. Sehr zu meiner Freude, denn umso besser und einfacher konnte ich alles per Kamera festhalten. Sind Leute mit auf den Fotos, bedeutet das im Nachhinein viel Arbeit, sie alle weg zuretuschieren. Unsere Reise begann mit der Wassermühle, die wir in den kommenden zwei weiteren Tagen noch oft besuchen sollten.
Vorbei am Mausoleum
Wir gingen vorbei am Mausoleum, wo ich bis zu diesem Zeitpunkt immer im Glauben war, dass es etwas mit Mäusen zu tun hatte. Als absoluter Mäuse- und Rattenfreund war ich besonders gespannt darauf. Nach einem Schmunzeln wurde mir erklärt, dass ein Mausoleum ein prächtiges Grabmal ist. Es dient sowohl als Grabstätte als auch als Denkmal und ist oft kunstvoll gestaltet. Dieses Mausoleum wurde 1782 erbaut und entstand im Apothekergarten der noch heute bestehenden Detmolder Hofapotheke.
Mit folgender Inschrift :
„Nutze die Zeit. Du rufst sie vergebens zurück“
Weiter in Richtung Norden
Wir zogen weiter in Richtung Norden zum Osnabrücker Land, zum Osnabrücker Hof, und staunten nicht schlecht über die Baumpracht des angelegten Gartens, der uns dort erwartete. Der Garten mit seinen hohen, säulenförmig geschnittenen Eiben spiegelt den Garten aus jener Zeit wider, wie er einst nördlich von Osnabrück zu finden war.
Bienenkörbe im Garten des Osnabrücker Hofes
Das Praktische an meinem Elektromobil ist, dass ich einfach anhalten und absteigen kann, um mir Dinge näher anzuschauen. Mit meinem Balance Rollstuhl und seinen Parkstützen habe ich oft überlegt, ob ein Absteigen überhaupt lohnenswert ist.
Das „Haus zum Anfassen“
Welch geniale Idee! In diesem Haus durfte man alles ausprobieren. Es spiegelt den Alltag aus dem 18. Jahrhundert wider. Schnell in die alten Holzschuhe geschlüpft, die sich am Eingang befinden, und los geht es mit dem Testen von Möbeln und Werkzeugen. Ich muss gestehen, aus Respekt vor den historischen Dingen habe ich es beim Anschauen belassen. Ebenso behielt ich meine Schuhe an. Die Erwachsenen und Kinder hatten auf jeden Fall großen Spaß beim Eintauchen in die alte Zeit.
Oben am Giebel des Hauses hat man früher extra ein Flugloch für die Eulen angebracht.
Kaum zu glauben, aber wahr.
Diese Gußhaube diente als Feuerschutz, damit Kind und Katze sich nicht verbrannten.
„Backspeicher“
Hinter dem Haus befand sich der Backspeicher aus dem Jahre 1710.
Backspeicher
Nach einem Blick auf die Weide,
zog es uns vorbei am Hudewald.
Ein Hudewald,, ist ein Wald, der zur Beweidung von Vieh genutzt wurde, anstatt ihn zu roden und Grünland anzulegen. Diese Form der Nutzung, auch Waldweide genannt, war besonders im Mittelalter verbreitet und führte zu lichten, parkartigen Wäldern.
Weiter in Richtung der Töpferei.
Holzlager der Töpferei
Hier hatten wir Glück und konnten durch einen sehr erfahrenen Mitarbeiter des Museums viel über das Töpfern zu jener Zeit erfahren. Er führte uns dieses Handwerk sogar vor, mit an seiner Seite, recht interessiert, ein Hühnchen.
Dieses Hühnchen wollte sogar schon mit mir und „Dude“ zum Mittagessen fahren. Wie uns der Mann erklärte, leben die schwarzen Krüper am Tiergartenkrug zwischen Münsterländer Gräftenhof und Mindener Hof. Welch schlaue Tiere diese Hühner doch sind, es ging wirklich bereits auf die Mittagszeit zu.
Schwarzer Krüper, zur Abfahrt bereit.
Unsere Erkundung
Unsere Erkundung führte uns vorbei an Kotten und dem Mindener Hof.
Vorbei am Mindener Hof
Wir hätten auch sagen können „Folge dem Hühnchen“, denn wir hatten den gleichen Weg zum Mittagstisch eingeschlagen. Zu unserem Erstaunen befanden sich sehr viele weitere schwarze Krüper vor dem Restaurant „Tiergartenkrug“.
Westfälische Krüper vom schwarzen Farbschlag. Der Name “ Krüper“ bedeutet “ Kriechhuhn“. Sie haben auffällig kurze Beine und dadurch einen kriechenden Gang.
Unser Besuch im Tiergartenkrug
Der Mitarbeiter des Tiergartenkruges gab uns in seinen Erzählungen über das Freilichtmuseum einen einmaligen Einblick in die längst vergangene Zeit.
An dieser Stelle möchte ich nochmals ein Lob aussprechen, wie freundlich und fachlich wissensreich die Mitarbeiter in diesem Museum sind. In den verschiedensten Häusern und Höfen sind Mitarbeiter anzutreffen, die sehr interessantes Wissen über die einzelnen Zeitepochen und Gebäude haben. Von daher sollte jeder bei seinem Besuch im Museum „Zeit“ mitbringen. Es gibt so vieles zu entdecken, was im schnellen Vorübergehen verborgen bleibt.
Armenhaus
Wir stärkten uns mit einer leckeren Mahlzeit und zogen weiter zum Armenhaus. Irgendwie bekam ich bei dem Namen des Hauses bereits Gänsehaut. Der Name des Hauses verrät bereits viel über seine Geschichte.
Es wurde 1824/25 in Rinkerode erbaut und diente 100 Jahre später als Zufluchtsort für jeweils vier arme Frauen.
Eine fromme Stiftung hat diese Idee und Rettung für viele Frauen ins Leben gerufen. Jede Bewohnerin erhielt eine eigene Kammer. Der Rest des Hauses mit Garten zur Bewirtschaftung stand allen Frauen gemeinsam zur Verfügung.
Maria Elisabeth Thier geb. Raters
*06.08.1765 †16.12.1840
Beim Einzug in das Armenhaus sollte jede neue Bewohnerin Bettzeug,einen Kessel,einen Topf und Kleidung mitbringen. Mit ihrem Tod fiel der gesamte Besitz an das Armenhaus. Dieser Nachlass wurde versteigert um die Beerdigungskosten zu decken.
Als ich die Gedenktafeln mit ihrer Datierung einiger Mitbewohner las, tat es weh zu lesen, wie kurz das Leben von vielen doch nur war, sei es von Mutter oder Kind. Natürlich gab es auch Ausnahmen, wie das Leben ebenso spielt.
Mutter
Tochter
Auf unserem Weg in Richtung Osten
Auf unserem Weg in Richtung Osten trafen wir auf eine süße Ziegenfamilie. Deren Nachwuchs war sehr gesprächig mit uns.
Wie so oft im Leben führen auch hier im Museum viele Wege ans Ziel. In den drei Tagen des Erkundens im Museum haben wir alle Wege abgelaufen/gefahren. Ich versuche sie so gut es geht der Reihe nach hier aufzuzeigen. Ich bitte daher um Nachsicht, falls irgendetwas verwirrend erscheint, da ich es versuche miteinander im Text zu platzieren.
Kurz vor dem Paderborner Dorf, in dem sich das meiste Leben im Freilichtmuseum widerspiegelt, machten wir einen Stopp an der Bockwindmühle von 1812. Ich schaute sie mir von meinem E-Mobil aus an und mein Mann erklomm die Treppen nach oben.
Ausblick auf das Paderborner Land
Verschiedene Wege führen zum Ziel
Eine andere Möglichkeit, um ins Paderborner Dorf zu gelangen, führt vorbei an einer Allee mit Obstbäumen.
Alte, seltene Sorten aus dieser historischen Zeit, wie zum Beispiel die Apfelsorte mit dem Namen „Schöner aus Wiedenbrück“. Der Name stammt von der Gärtnerei, die diesen Namen trug und diese Obstsorte 1904 verbreitete. Allerdings hatte ein Gärtner des Schlosses in Rheda bereits vor 1900 aus dieser Sorte Samen gezogen. Ehrlich gesagt, wusste ich bis dahin gar nicht, dass auch Obstsorten eine historische Vergangenheit haben können.
Zwei Esel befanden sich kurz vor der Kappenwindmühle auf ihrer Weide.
Kappenwindmühle
Dieses Mal besuchte auch ich die Mühle. In der Mühle drinnen setzte ich mich und ein sehr freundlicher junger Mann aus Ägypten erklärte uns sehr vieles und Interessantes. Es hat Spaß gemacht, ihm zuzuhören, besonders auch seinen Erfahrungen von den Mühlen aus seiner Heimat. In den darauf folgenden Tagen begegneten wir ihm immer wieder an seiner Mühle und das Schöne war, wir wurden immer wieder von ihm und seinen Kollegen erkannt. An dieser Stelle könnte man auf den Gedanken kommen, ob es gut oder schlecht ist? Liegt es an meinem Sitzsegway, der bei unserem Besuch aber nicht dabei war? Da alle sehr freundlich und hilfsbereit waren, denke ich, war es aus keinem schlechtem Grund. 😉
Ein Spaziergang durch das Paderborner Dorf
Kurz vor dem Eingang des Paderborner Dorfes stand eine Wegekapelle. Mit jedem Schritt, den ich in dieses Dorf tat, tauchte ich immer mehr in die Vergangenheit ein. Es erweckte den Anschein, als lebten hier noch Menschen.
Schaut selbst. Ich werde an dieser Stelle eine chronologische Reihenfolge einer Galerie einfügen. Beim Anklicken der Bilder werden diese automatisch für euch vergrößert.
Tagelöhnerhaus
Das Tagelöhner Haus: Eine Geschichte voller Tragödien
Das Tagelöhner Haus, auch bekannt als “Peiters Haus”, hat eine bewegte und tragische Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Dieses kleine Häuschen in Vinsebeck wurde 1833 von Anton Fink erbaut. Doch nur ein Jahr später verschwand Anton spurlos, und das Haus wechselte seinen Besitzer.
Anton Finke (1808 – 1861)
Der nächste Bewohner war Franz Weber, ebenfalls ein Tagelöhner. Zusammen mit seiner Frau Therese und ihren acht Kindern zog er in das Haus ein. Leider war das Schicksal nicht gnädig mit der Familie Weber.
Franz Weber (†1869) ⚭ Therese Lange (1806 – 1865)
Kinder:
- Anna (*1833 – ?)
- Wilhelmine (*1837 – ?)
- Johanna (*1840 – 1851)
- Luise (*1844 – 1845)
- Todgeburt (1846)
- Franz (*1848 – ?)
- Todgeburt (1850)
- Elisabeth (? – ?)
1872 kaufte der Tagelöhner Johann Peters das kleine Häuschen. Auch seine Familie erlebte viele Tragödien.
Johann Peters (1838 – 1876) ⚭ Theresia Disse (1839 – 1914)
Kinder:
- Wilhelmine (*1867 – 1867)
- Elisabeth (*1868 – 1938)
- Anna (*1870 – 1884)
- Maria (*1872 – 1874)
- Maria (*1874 – 1875)
- Johann (*1876 – ?)
Elisabeth, die Tochter von Johann Peters, heiratete 1891 den Tagelöhner Philipp Glitz. Sie übernahmen das Häuschen und Philipp begann mit den Renovierungsarbeiten, bis er 1907 bei einem tödlichen Unfall ums Leben kam.
Elisabeth (1868 – 1938) und Philipp Glitz (1867 – 1907)
Kinder:
- Therese (*1895 – 1953)
- Caroline (*1900 – 1990)
Elisabeth blieb nach dem Tod ihres Mannes zusammen mit ihrer Mutter und den beiden Töchtern Therese und Caroline in dem Haus wohnen. In den Jahren danach wurde das Häuschen 1921 an das Stromnetz und 1954 an die Wasserleitung angeschlossen. Bis heute gab es in diesem Häuschen kein Bad oder WC. Ein Plumsklo befand sich im Stall. Die letzte Bewohnerin, Caroline, die immer alleine blieb, lebte bis zu ihrem Tod 1990 so in ihrem Häuschen.
Die Geschichte dieses Hauses und seiner Bewohner zeigt, wie hart das Leben für Tagelöhner und ihre Familien war. Trotz aller Widrigkeiten und Tragödien, die sie erlebten, bleibt das Tagelöhner Haus ein Zeugnis ihrer Ausdauer und ihres Mutes.
Das Ende einer Ära: Das Tagelöhnerhaus „Peiters Haus“
Hier endet die Geschichte des Tagelöhnerhauses, auch „Peiters Haus“ genannt, benannt nach seinem zweiten Bewohner. Im Jahr 1993 wurde das Haus in seiner Gesamtheit in das Freilichtmuseum transportiert. Dank dieser Maßnahme blieb die originale Bausubstanz sowie die Nutzungsspuren der früheren Bewohner erhalten.
Dieses kleine Häuschen erzählt die Geschichte der Menschen, die einst darin lebten und arbeiteten.
Das Haus Uhlmann
Eine Geschichte, von der ich mir wünsche, dass sie nie wieder kommen wird (Nadine Quetsch)
Einleitung
Als ich das Haus sah, fiel mir sofort auf, dass es aus einer anderen Zeitepoche stammen musste. Irgendwie war etwas anders. Je mehr ich in das Haus eintauchte und erfuhr, umso mehr fesselte es mich. Diese Schwere und Grundlosigkeit, die dort zu fühlen ist. Eine Familie aus ihrem einst glücklichen Leben wegen etwas Unvorstellbarem, vom Menschen gemacht, herausgerissen. Gequält und wie viele andere Familien einfach für „Nichts“ getötet. So etwas ist für einen gesunden Menschenverstand unbegreiflich.
Erste Besuche und Recherchen
Ich habe dieses Haus in den Tagen danach noch zweimal besucht und habe immer noch nicht alles begreifen können, was Familie Uhlmann erleben musste. Im Nachhinein habe ich mir Bücher über dieses Haus und die Geschichte dieser Familie gekauft, um ein wenig zu verstehen, welchen schlimmen Weg diese Familie gehen musste, an dem kein gutes Ende für sie vorgesehen war.
Geschichte des Hauses
Erbaut wurde das Haus von 1803 bis 1805 von Bernd Soistmann. Bernd Soistmann war der Sohn des Juden Berend Soistmann, der als Inspiration und Erzählvorlage in der Novelle „Die Judenbuche“ von Droste Hülshoff als der getötete Jude Aron erscheint. Sein Sohn Bernd lebte zusammen mit seiner Familie und seiner Mutter Jente in diesem Haus.
1885 musste er das Haus aus Konkursgründen verkaufen. Kaufmann Levy Uhlmann erwarb das Haus und nahm einige Erneuerungen daran vor. 1927 übernahm Levy Uhlmanns Sohn Norbert das Haus und baute unter anderem den schönen Erker vor die Wohnstube. Das Haus spiegelt im Museum seine wohl schönste Zeit um 1932 wider.
Einrichtung und Alltagsleben
Die Einrichtung wurde aus Erzählungen durch Zeitzeugen passend zusammengestellt. Ebenso sind Wandmalereien und Tapeten, Stückweise im Original noch vorhanden und konnten dadurch weiter fortgesetzt werden. Im Hausflur befindet sich auch eine nachgebaute Filzschaukel aus jener Zeit von Ilse.
Norbert heiratete 1922 seine Lene. Da sie keine eigenen Kinder bekommen konnten, adoptierten sie 1932 Ilse Ruth Berghausen. Familie Uhlmann führte im Haus einen kleinen Laden, in dem sie Lebensmittel, Haushaltswaren und Spielsachen verkauften. Sie lebten eine ganz kurze Zeit ein glückliches Leben und wurden von den Leuten im Dorf gemocht. Es war eine stets zurückhaltende und hilfsbereite Familie. Die Nachbarskinder spielten gerne mit Ilse, und das nicht nur wegen ihrer lieben Art. Ilse hatte viele Spielsachen, teils Dinge, die die anderen Kinder im Dorf noch gar nicht kannten.
Die Filzschaukel im Hausflur war bei den Kindern sehr beliebt. Sie stellten sich der Reihe nach auf die Treppen, entweder zum Anstupsen oder um aufzuspringen. Ziel war es, mit den Füßen die Haustüre zu berühren. Ein Highlight im Dorf fand kurz vor Weihnachten statt. Ilses Mutter Lene besorgte um diese Zeit aus Höxter auf Kommission diverse Spielsachen, die die Kinder im Ort sonntags sich anschauen durften. Wenn die Kinder ihre Wünsche äußerten, informierte Lene die Eltern, ob sie gegebenenfalls etwas für die Familien zurücklegen sollte.
Die dunklen Jahre
Das ist nur ein kleiner Auszug aus der Zeit, in der ihre kleine Welt noch in Ordnung war. In der Zeit von 1933 bis 1945, in der der Nationalsozialismus herrschte, wurde die Lage der wenigen Juden in Ovenhausen immer unerträglicher. Bis zu jenem Tag, als ihnen alles genommen wurde.
1938 wurde den jüdischen Kindern ein Schulverbot an öffentlichen Schulen erteilt. Damit ihre Kinder dennoch etwas lernen konnten, setzten sich die jüdischen Eltern mit den Gemeindevätern in Detmold zusammen. Dort wurde beschlossen, dass die Kinder Unterricht in Detmold erhalten sollten. Der Unterricht fand dort nicht in einer Schule statt, sondern in einem Zimmer einer jüdischen Familie. Da es verboten war, ohne Erlaubnis die Stadtgrenze zu verlassen, wohnten die Kinder in der Woche über bei anderen jüdischen Familien in Detmold und fuhren erst am Wochenende wieder nach Hause.
Irgendwann wuchs auch dort der Druck. Verließen die Kinder das Haus ihres Lernens, warteten draußen die christlichen Kinder, sie schlugen und beschimpften sie. Später musste wegen Steinwürfen durch die Glasscheibe ein Drahtgitter an das Fenster des Raumes, in dem sie in Detmold lernten, angebracht werden. Es kam der Punkt, an dem auch diese Art von Schule den jüdischen Kindern verboten wurde.
Ilse und ihre Freundinnen wurden immer stiller und ihre Fröhlichkeit und Unbekümmertheit verschwand. Am 10. Dezember 1941 wurde Ilse zusammen mit ihrer Familie nach Riga deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Laut gerichtlichen Todeserklärungen wurden sie 1953 in Auschwitz ermordet.
Nachkriegszeit und Erinnerung
Nach der Deportation der Familie Uhlmann wurde im Frühjahr 1942 zuerst das Inventar des Hauses versteigert und anschließend das Haus selbst. Eine Familie mit Kindern zog zunächst in das Haus ein, bis sie 1953 wieder ausziehen mussten. Denn im Rahmen eines „Wiedergutmachungsverfahrens“ wurde das Haus an überlebende Angehörige der Familie Uhlmann zurück übertragen. Zwei Brüder von Norbert Uhlmann, übernahmen das Haus. Sie verkauften das Haus an einen Nachbarn. Von 1953 bis Ende der 1950er Jahre befand sich im einstigen Wohnzimmer von Uhlmanns ein Friseursalon. Danach blieb das Haus leer und es wurde 1979 zum Glück ein wenig saniert.
Im Jahre 2007 zog das Haus als Ganzes in das Freilichtmuseum Detmold um. So wie einst das Tagelöhnerhaus. Der Zustand, den es jetzt widerspiegelt, zeigt das Haus in der Zeit um 1932.
Schlusswort
Diese Geschichte erinnert uns daran, wie wichtig es ist, die Vergangenheit zu bewahren und aus ihr zu lernen, damit sich solche Tragödien nie wiederholen.
Quelle: Informationstafeln im Museum / Freilichtführer des LWL Freilichtmuseum Detmold / Sie waren Juden
Der Süden Westfalens
Wir zogen weiter in Richtung Siegerland, Wittgensteiner Land und Sauerland.
Sauerländer Dorf
Hier kam glücklicherweise nach einem Regenschauer die Sonne wieder hervor.
Ich stellte mein Elektromobil ins Trockene und wir schauten uns in Ruhe die Gebäude an.
Eines fiel mir direkt ins Auge und erinnerte mich sehr an das Salzburger Freilichtmuseum. Es hatte die gleiche Bauart und Farben. Dazu schmückten viele Schutzheiligenfiguren dieses schöne Haus. Eine der Figuren ist der heilige Nepomuk, der am Giebel des Hauses zu sehen ist. Dabei handelt es sich um den Hof Kayser-Henke in Ostentrop, erbaut im Jahr 1770. Es scheint, dass es sehr fromme Leute waren.
Hof Kayser – Henke aus Ostentrop
Siegerländer Weiler
Wir verließen das Dorf und bekamen einen wunderschönen Ausblick auf die Fachwerkkapelle mit Kapellenschule und ihre umliegende Gegend geboten.
Die Fachwerkkapelle wurde 1737 in Werthenbach erbaut
Der Weg zur Kapelle
Der Schulanbau entstand später, um 1816. In der Kapelle fanden keine Trauungen, Taufen oder Beerdigungen statt. Sie war nur für regelmäßige Andachten vorgesehen
Barockaltar mit einer Figur der trauernden Maria mit dem Leichnam Jesu
Der Schulanbau folgte erst einige Jahrzehnte später. In der Schule war Platz für 40 Kinder. Wie es früher so war, bekamen die kleineren Kinder ihren Platz in der vorderen Bank und die größeren mussten hinten sitzen. Die Mädchen saßen rechts und die Jungen links. Diese Sitzordnung getrennt nach Geschlechtern kenne ich noch aus meiner Familie von den Gottesdiensten.
Kapellenschulen waren im Siegerland etwas ganz Besonderes. Um 1830 gab es etwa 100 solcher Schulen. Diese Kapellenschule ist eine der wenigen Bauten aus dieser Zeit.
Münsterländer Gräftenhof
Westermünsterländer Hof
Flachsofen und Rutenberg
Lippischer Meierhof
Alte Haustierrassen im Freilichtmuseum Detmold
Hier endet nun meine Reise in die Vergangenheit
Es war bestimmt nicht das letzte Mal, dass wir in diesem Museum waren. Die Atmosphäre, in die wir als Besucher eintauchen konnten, war einfach zu schön. Ebenso die Gastfreundlichkeit jedes einzelnen Mitarbeiters. Sei es in Form von informativen Gesprächen über jene alte Zeit oder die Hilfsbereitschaft wegen meiner Behinderung.
Eine besondere Erfahrung an der Wassermühle
Besonders an der Wassermühle erlebte ich durch die Hilfe eines Angestellten des Museums eine wirklich freundliche Geste, von der ich euch noch erzählen möchte.
Wir besuchten jeden Tag die Wassermühle, da mein Mann von der Konstruktion jedes Mal fasziniert war (er ist ein Technikgenie). Am letzten Tag war viel Betrieb im Museum wegen des Feiertages. Montags ist zudem dort Mühlentag und das Handwerk wird an diesem Tag vorgeführt. Unten in der Mühle gab es belegte Brote mit Aufstrichen, bei der die Mühle für die Herstellung des Korns eine große Rolle spielt.
Mein Mann sagte mir, dass ich ja nach unten zu den Broten gehen könnte. Ich stieg also von „Dude“, meinem Elektromobil, ab und ging den Berg ein Stück hinunter. Was ich dann sah, war eine Menschenschlange. Da ich nicht länger als eine Minute stillstehen kann, bin ich enttäuscht wieder zurück zu „Dude“. Plötzlich kam der Mann aus der Mühle auf mich zu und fragte mich, ob er mir ein Brot holen soll. Das habe ich dankend angenommen 😊 Nach einer Weile kam er mit einigen belegten Broten wieder. Ich fand diese Geste so freundlich und weiß, dass diese Art der Hilfsbereitschaft mehr als selten ist. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle.
Empfehlung und Fazit
Ich habe schon vielen meiner Bekannten kundgetan, dass sie unbedingt dieses Freilichtmuseum besuchen sollten. Es lohnt sich auf alle Fälle und ist die lange Anreise wert. Für mich bin ich sehr glücklich, diesen Besuch in die Tat umgesetzt zu haben. Wie ihr auch seht, ist dies der längste Blog-Eintrag, den ich in den vier Jahren verfasst habe. Viele Stunden habe ich damit verbracht, alles zu sortieren und mir die Informationen herauszusuchen.
Hinweis und Quellenangabe
Sollte sich dennoch irgendwo ein Fehler eingeschlichen haben, bitte ich dies zu entschuldigen.
Quellenangabe:
- Informationstafeln an den Häusern
- Der FREILICHTführer des LWL Freilichtmuseums Detmold
- Buch: Das Haus Uhlmann im LWL Freilichtmuseum Detmold „Sie waren Juden“
Die Inhalte dieser Website habe ich mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Ich übernehme jedoch keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte.